Antigone

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Antigone

Residenztheater München

Nichts ist so dämonisch wie der Mensch

Regisseurin Mateja Koležnik hat sich für diese Aufführung etwas ganz Besonderes einfallen lassen – Antigone mal 2 sozusagen inklusive Perspektivwechsel.

Wer von uns hat nicht schon vor verschlossenen Türen gestanden, wohl wissend, dass hinter dieser Tür Großes besprochen oder gar entschieden wird.

Wer von uns wollte nicht wissen, was!

So geschehen in der Aufführung im Residenztheater. Vor der Pause erlebten wir das Treiben vor dem Tagungssaal mit einzelnen Blicken in den Raum, nach der Pause das Treiben im Tagungssaal mit dem gefühlten Blick in den Flur.

Wir, die BeobachterInnen wurde mitgenommen, wie sich Antigone dem Befehl des – nachdem die Brüder Eteokles und Polyneikes im Kampf um den Thron starben – neuen Herrscher Kreon widersetzt, der angeordnet hat, Polyneikes nicht zu begraben, da gegen Eteokles und seine Heimatstadt in den Krieg gezogen war.

Wir befinden uns in Theben, nicht im alten, sondern im Theben von Mateja Koležnik – in einem Bunker, tief unter der Erde – isoliert vom Volk und doch mittendrin im Geschehen, Kameras scheinen das Volk und deren Stimmung einzufangen.

Der König Kreon spaltet mit seiner Entscheidung das Volk und führt es zum Aufstand gegen ihn. Für Kreon ist gut gut und böse böse und muss dementsprechend so behandelt werden.

Seine Vasallen – hier als Politiker dargestellt – sind mal dieser mal anderer Meinung, wagen es aber nicht, das Wort des Königs vor seinen Ohren anzuzweifeln – sie sind hörig.

Nicht so Antigone – sie beerdigt Polyneikes und zieht damit den Zorn Kreons auf sich. Die Strafe für ihr Handeln ist der Tod. Tod durch Verbannung. Sie unsichtbar machen. Ihr keine Trauer und göttlichen Weihen gönnen, obwohl sie kurz vor der Vermählung mit dem Sohn des Königs stand.

Nachdem dieser – der Sohn – und seine Mutter sich das Leben nahm, widerruft Kreon seine Entscheidung Antigone zu verbannen, doch es ist zu spät, das Volk begehrt auf und brennt Theben nieder.

Der erste Akt ist eine Familiengeschichte ohne Kontext und der zweite Akt ist die Einbettung dieser Geschichte in einen sozialen Kontext.

Wir hören viele Stimmen, nehmen kleine und große Gesten wahr, sehen eine Antigone, die mit Leichtigkeit die Brisanz zwischen dem humanistischen Widerstand einer jungen Frau gegen eine als ungerecht empfundene Ordnung und einer Dogmatikerin darstellt – in einer Art Nachthemd.

Wir sehen die Mächtigen, die um den Erhalt ihrer Macht kämpfen und auch vor Verlusten in der eigenen Familie nicht zurückschrecken.

Wir bekommen keine Lösung auf dem Tablett präsentiert.

Wir gehen aus der Vorstellung, mit vielen Fragen, Gedanken, Ideen, Was-Wäre-Wenn-Szenarien und dem Wissen, dass es sich oft so hinter verschlossenen Türen abspielt und wir Antigone sein können, wenn wir stark genug sind und beharrlich bleiben.

Ein sehenswertes Stück – Applaus